Geschichtsort Stadthaus
Das Stadthaus an der Stadthausbrücke
war von 1933 bis 1943 eine Zentrale des nationalsozialistischen Terrors in Hamburg. Daran erinnert der Geschichtsort Stadthaus.
Zwei Ausstellungen stellen den Ort, die verschiedenen dort organisierten Verbrechenskomplexe der Hamburger Polizei sowie Biografien von verfolgten Frauen und Männern vor. Im historischen „Seufzergang“ sind die Erinnerungen derer zu hören, die im Stadthaus vernommen und gequält wurden.
Der Geschichtsort Stadthaus befindet sich in den Stadthöfen, einem Einkaufs- und Geschäftsquartier. Er ist seit 2022 Teil der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen.
Veranstaltungen
- Samstag, 12. Oktober 2024
- 14:00–15:30
- Rundgang
Geschichtsort Stadthaus, Stadthausbrücke 6, 20355 Hamburg
Rundgang durch das ehemalige Stadthaus
Das Stadthaus am Neuen Wall/Stadthausbrücke war im Nationalsozialismus eine Zentrale des Terrors. Dort befanden sich das Polizeipräsidium sowie die Leitstellen von Gestapo und Kriminalpolizei. Beim… Mehr Informationen
- Donnerstag, 31. Oktober 2024
- 10:00–17:00
- Sonderöffnung und Führungen
Geschichtsort Stadthaus, Stadthausbrücke 6, 20355 Hamburg
Rundgang durch das ehemalige Stadthaus
Das Stadthaus am Neuen Wall/Stadthausbrücke war im Nationalsozialismus eine Zentrale des Terrors. Dort befanden sich das Polizeipräsidium sowie die Leitstellen von Gestapo und Kriminalpolizei. Der… Mehr Informationen
Das Stadthaus an der Stadthausbrücke/Neuer Wall
ist ein Gebäudekomplex, in dem sich von 1814 bis Juli 1943 die zentralen Dienststellen der Hamburger Polizei befanden. Im Nationalsozialismus waren hier das Polizeipräsidium sowie die für Hamburg und weite Teile Nordwestdeutschlands zuständigen Staatspolizei- und Kriminalpolizeileitstellen untergebracht. Viele Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren an diesem Ort tätig. Vom Stadthaus aus organisierte die Polizei die systematische Verfolgung des Hamburger Widerstands gegen den Nationalsozialismus, die Verfolgung von Jüdinnen und Juden, Sintize und Sinti, Romnja und Roma sowie von zahlreichen weiteren Menschen, darunter auch viele Zwangsarbeiter*innen, Homosexuelle oder als „Berufsverbrecher*in“ oder „asozial“ stigmatisierte Personen.
In den Verhörräumen und Arrestzellen des Stadthauses wurden die verhafteten Frauen und Männer brutal misshandelt, erniedrigt, gefoltert, ermordet oder in den Tod getrieben. Polizisten erzwangen mit „verschärften Vernehmungen“ Geständnisse. Die Beamten beteiligten sich durch die Einweisungen in Konzentrationslager und Anträge auf „Sonderbehandlung“ an Entscheidungen über Leben und Tod. Vom Stadthaus aus erfolgte auch die Vorbereitung des Kriegseinsatzes norddeutscher Polizisten vor allem in Polen und in der Sowjetunion, wo sich die Polizeibataillone an zahlreichen Massenmordaktionen beteiligten.
Bei den Luftangriffen der „Operation Gomorrha“ im Juli 1943 wurde der Stadthaus-Gebäudekomplex stark beschädigt. Die Polizeidienststellen wichen auf andere Gebäude in der Hamburger Innenstadt aus.
Im Stadthaus
als Zentrale des nationalsozialistischen Terrors wurde von 1933 bis 1943 die Verfolgung Zehntausender Frauen und Männer in Norddeutschland organisiert. Im Stadthaus führten Gestapo und Kripo auch Vernehmungen durch, häufig begleitet von Misshandlungen und Folter.
Die hier vorgestellten Frauen und Männer verfolgte die Polizei aus ganz unterschiedlichen Gründen. Mehrere hatten sich im Hamburger Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert oder wurden als Jüdinnen und Juden, Sintize und Sinti, Romnja und Roma ausgegrenzt und zur systematischen Ermordung vorgesehen. Andere nahm die Polizei als Homosexuelle, Zeug*innen Jehovas oder angebliche „Berufsverbrecher*innen“ in Haft. Durch Anklicken eines Bildes öffnet sich jeweils eine Kurzbiografie.
Die Sintezza Regine Böhmer
war acht Jahre alt, als sie mit ihren Eltern und Geschwistern von der Polizei in ihrer Wohnung in Hamburg-Hammerbrook abgeholt und über den Hannoverschen Bahnhof am 20. Mai 1940 in das Arbeitslager Belzec im besetzten Polen deportiert wurde. Einigen der Familienmitglieder gelang die Flucht, sie wurden jedoch wieder aufgegriffen und in Konzentrationslager verschleppt. Der Vater und drei Brüder überlebten die KZ-Haft nicht. Regine Böhmer kam in das KZ Ravensbrück und erlebte die Befreiung im April 1945 im KZ Bergen-Belsen.
Gertrud Rast
, geb. Graeser, floh als Mitglied der KPD 1933 nach Frankreich. Dort wurde sie 1939 nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im Alter von 42 Jahren verhaftet, interniert und schließlich 1943 an die Gestapo ausgeliefert. Einer mehrmonatigen Haft, u.a. im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, folgte im Dezember 1944 die Überstellung in das Arbeitserziehungslager Wilhelmsburg (Langer Morgen). Nach 1945 war sie eine führende Funktionärin der KPD und später der DKP in Schleswig-Holstein.
Jenta Honig
, geb. Salik, wurde 1892 in Polen geboren. Sie lebte mit ihrem Mann, dem Kaufmann Osias Leib Honig, und ihren vier Kindern zunächst in Wien und ab 1935 in Altona. Die jüdische Familie bemühte sich insbesondere nach dem Pogrom vom November 1938 um die Ausreise nach Palästina. Drei Söhnen gelang die Flucht aus Deutschland. Jenta Honig, ihrem Mann und ihrem Sohn Willi wurde die Ausreise verwehrt. Am 8. November 1941 wurden sie vom Hannoverschen Bahnhof aus in das Getto Minsk deportiert. Alle drei starben dort.
Richard und Käthe Tennigkeit
, geb. Schlichting, gehörten der KPD an. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 wurde das Paar in der illegalen Widerstandsarbeit aktiv, in ihrem Haus in einer Gartenhaussiedlung in Hamburg-Farmsen-Berne versteckten sie verfolgte Widerstandskämpfer. Im Februar 1944 erfolgte die Verhaftung durch die Gestapo: Im April 1944 starb Käthe Tennigkeit im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel. Sie habe Selbstmord begangen, behauptete die Gestapo. Richard Tennigkeit starb im Dezember 1944 im KZ Neuengamme.
Dorothea und Erich Golly
gehörten der Glaubensgemeinschaft „Zeugen Jehovas“ an, auch nach ihrem Verbot im Juli 1933. Für das Ehepaar hatte dies jahrelange Haft in Strafanstalten und Konzentrationslagern zur Folge: Erich Golly starb nach mehr als acht Jahren Haft im Februar 1945 im KZ Dachau. Auch Dorothea Golly kam nach Verbüßung ihrer Haftstrafe in ein Konzentrationslager. Sie wurde bei Kriegsende im KZ Ravensbrück schwer erkrankt und erblindet befreit.
Helmuth Hübener
, ein Mitglied der Mormonen und Verwaltungslehrling in der Sozialverwaltung, begann als 16-Jähriger, heimlich den britischen Rundfunk BBC zu hören. Was er erfuhr, verbreitete er in Form selbst geschriebener Streuzettel und Flugblätter in den Hamburger Stadtteilen Hamm, Hammerbrook und Rothenburgsort. Drei Freunde halfen ihm. Nach der Denunziation eines Arbeitskollegen verhaftete die Gestapo im Februar 1942 die Jugendlichen. Am 11. August 1942 verurteilte der Volksgerichtshof in Berlin Helmuth Hübener zum Tode, seine Freunde erhielten Gefängnisstrafen.
Der Gärtner Alfred Kästel
betrieb in Altona einen Blumenladen. 1942 verurteilte das Landgericht Hamburg ihn wegen homosexueller Handlungen zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren. Da er Vorstrafen aufwies, regte das Gericht seine spätere „Sicherungsverwahrung“ an. Nach der Strafverbüßung veranlasste die Hamburger Kriminalpolizei im Juli 1944 die Überstellung Alfred Kästels in das KZ Neuengamme. Dort starb er am 5. November 1944 im Alter von 65 Jahren.
Arnold Hencke
wuchs in einer Arbeiterfamilie in Hamburg-Eimsbüttel auf. Er war Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und der SPD. Auch unter den Bedingungen der Illegalität setzte er die politische Arbeit fort. Der Gestapo gelang es im Januar 1935, Arnold Hencke und weitere Mitglieder der SAJ Eimsbüttel zu verhaften. Es folgten Misshandlungen sowie die Haft im KZ Fuhlsbüttel und im Jugendgefängnis Hahnöfersand. Am 30. Juli 1937 wurde der 21-jährige Arnold Hencke aus der Haft entlassen. Er litt sein Leben lang an den Haftfolgen.
Der gelernte Former Ernst Kröger
aus Neumünster gelangte als Jugendlicher mehrfach wegen Diebstahl und Urkundenfälschung in Haft. 1933 wurde er zu acht Monaten Haft verurteilt. Nach seiner Entlassung beging er mehrere Einbrüche, es folgte die Verurteilung zu sieben Jahren Zuchthaus. Im Mai 1943 kam er als Sicherungsverwahrter in das KZ Neuengamme, wo er wenige Wochen später am 19. Juni 1943 im Alter von 29 Jahren starb.
Im Mittelpunkt der Hauptausstellung
„Das Stadthaus im Nationalsozialismus. Eine Zentrale des Terrors“ stehen unterschiedliche Verbrechenskomplexe der Hamburger Polizei im Nationalsozialismus sowie Biografien von Verfolgten. Die Ausstellung auf den Brückenarkaden informiert über die Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudeensembles der heutigen Stadthöfe. Im „Seufzergang“, durch den Gefangene von den Arrestzellen zu den Vernehmungszimmern gebracht wurden, können an einer Hörstation Berichte ehemaliger Gefangener über die Verhörsituation und die erlittenen Misshandlungen im Stadthaus abgerufen werden. Alle Ausstellungselemente sind in deutscher und englischer Sprache verfügbar.
Adresse
Stadthausbrücke 6
20355 Hamburg
Öffnungszeiten
Montag bis Samstag 10–17 Uhr. An Sonntagen und Feiertagen geschlossen.
Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellungen sind mit dem Rollstuhl barrierefrei zugänglich, der „Seufzergang“ nicht.
Es finden regelmäßig kostenfreie Rundgänge durch das ehemalige Stadthaus und den Geschichtsort Stadthaus statt.
Kontakt
Dr. Christiane Heß und Dr. Christine Eckel (Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte)
Telefon: 040-428 131 580
E-Mail: geschichtsort.stadthaus@gedenkstaetten.hamburg.de
Stigma
An der Ecke Stadthausbrücke/Neuer Wall erinnert die Bodenskulptur „Stigma“ von missing icons an den vergangenen Terror und die lange Verdrängung der Geschichte des Stadthauses. Informationen über das Kunstwerk finden Sie hier.